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Farbige Zeichen in trister Umwelt

 

Ein großes Kunst-am-Bau-Projekt hat der Zeichner und Maler Maarten Thiel in der Justizvollzugsanstalt Wehlheiden verwirklicht. 

 

Kassel. In anderen Fällen würde man die Öffentlichkeit dazu einladen, das Kunstprojekt zu besichtigen. Nur hier funktioniert das nicht, denn wer es sehen will muss sich hinter Schloss und Riegel begeben. Kunst am Bau in der Justizvollzugsanstalt ist gewiss eine problematische Sache. Doch bei der Vorstellung der Arbeit zeigte sich, wie notwendig solche Projekte sind: Die fünf leuchtend farbigen Stahlskulpturen im Innenhof sind nicht bloß phantasievolle Zeichen, sondern bilden belebende Kontrapunkte zur tristen Betonarchitektur. Die aufmerksame Außenwelt kann immerhin einen Zipfel der von Maarten Thiel realisierten Arbeiten erhaschen: Man erblickt an der Außenwand eines Obergeschosses ein gelbes Zeichen, das sich wie ein Widerhaken in die Wand bohrt. Dieser Haken entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eine „Sieben“, die einerseits auf Skulpturengruppe im Hof verweist und zum anderen die Verbindung zu dem Wandrelief herstellt, das sich im Treppenhaus über die Stirnwände von vier Etagen erstreckt.Der Zeichner und Maler Maarten Thiel beweist mit dieser Arbeit, die sicherlich zu den größten Kunst-am-Bau-Projektion der Region gehört, dass er mit Fläche und Raum umzugehen vermag, dass er Farbe und Wärme vermitteln und Zeichen geben kann, ohne die Betrachter in eine bestimmte Richtung zu zwingen. „Zeitspuren von innen nach außen, von außen nach innen“ nennt er seine in zwei Jahren entwickelte Arbeit. Denn mit der Zeit und ihrem mühsamen Ablauf und dem schwierigen Verhältnis von innen und außen haben die Menschen zu tun, die diese Farbzeichen sehen. Die kombinierte Innen- und Außenarbeit wurde als künstlerischer Beitrag zum Neubau der Sozialtherapeutischen Anstalt verwirklicht.Die ursprüngliche Hoffnung, man könne das Kunst-am-Bau-Projekt in die sozialtherapeutische Arbeit der Vollzugsanstalt einbeziehen, konnte nicht erfüllt werden.

 

Der Künstler, so war der naheliegende Gedanke, sollte seine Arbeit gemeinsam mit den Insassen entwickeln und umsetzen. Doch dies hätte nach Thiels Einschätzung nicht nur einen anderen Ansatz vorausgesetzt, sondern hätte auch weit mehr Zeit und Geld gekostet. Da diese höheren Geldmittel nicht zur Verfügung standen und der Auftrag auf Kunst am Bau zielte, lehnte er dies ab und ging seinen eigenen Weg.

 

Hessische-Niedersächsiche  Allgemeine und Mitteldeutsche Allgemeine 27. September 1991