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Farbstreifen leiten durch das Haus

Vor zwei Jahren erhielt das Elisabeth-Krankenhaus einen neuen Operations- und Bettentrakt. Jetzt ist das alte Bettenhaus modernisiert worden. Maarten Thiel sorgte für

die Farbgestaltung.

 

Kassel. Seit zwei Jahren schiebt sich diagonal auf den Brüder-Grimm-Platz der neue Operations- und Bettentrakt des Elisabeth- Krankenhauses. Er lenkt den Blick auf ein 
dicht bebautes Gelände, auf dem sich 100 Jahre Baugeschichte begegnen – von der neugotischen Kapelle an der Frankfurter Straße bis zu den Gebäuden aus den verschiedenen Epochen der Nachkriegszeit. Das jüngst Objekt ist ein Geschöpf des Architekturbüros Bieling & Bieling – sachlich, klar und zweckmäßig angelegt. 

 


Das Kuriose an dem Krankenhauskomplex ist, dass es sich immer nu um Ergänzungs-
bauten handelte und dass das lang erwartete große Entree noch fehlt. Es soll in einem nächsten Bauabschnitt realisiert werden. Dann wird das derzeitige Empfangs- und Verwaltungsgebäude abgerissen, das mit Blick auf die jüngste Erweiterung schon 
halbiert worden ist. So müssen sich die jüngsten Neuerungen und Errungenschaften bescheiden, weil man immer noch auf die Komplettierung wartet.

 

Ein Gebäudekomplex, der aus so unterschiedlichen Einheiten besteht, trotzdem als ein geschlossenes System funktionieren muss, hat es nicht leicht, für die Benutzer ein Leitsystem anzubieten. In diesem Fall ist dieses gelungen, weil zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Maler und Grafiker Maarten Thiel als Farbgestalter mit einbezogen wurde. Er entwickelte ein Farbleitsystem, das zuerst für den Neubau umgesetzt und jetzt auch (nach der Modernisierung) auf den Altbau des Bettenhauses übertragen wurde.

 

Während sonst häufig Künstler zu Kunst-am-Bau-Projekten eingeladen werden, wenn schon alle architektonischen Weichen gestellt sind, wurde Thiel zu einem sehr frühzeitigem Termin engagiert. Seine große Leistung besteht darin, dass er nicht nach einer künstlerisch eigenständigen Form suchte, sondern, dass er sich zum Diener der Architektur und ihrer Nutzer machte. So sorgte er dafür, dass verschiedene ‚Prinzipien verfolgt wurden.

 

Das entscheidendste ist das der Orientierung. Denn nichts ist schlimmer, als wenn sich Krankenhausflure nicht unterscheiden und die Patienten nur schwerlich zurechtfinden können. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung schlug Thiel vor, für jedes Stockwerk Leitfarben zu entwickeln, die auf der Übersichtstafel ebenso auftauchen wie an den Fahrstuhltüren oder an den Zimmerschildern.Das heißt, dass die Farben in in dem Elisabeth-Krankenhaus ihren rein schmückenden Charakter verloren haben und zum Orientierungssystem im Haus geworden sind. Denn Maarten Thiel entwickelte nicht nur Leitfarben für jedes Stockwerk (Orange, Dunkelblau, Lila, Grün, Hellblau, Gelb), sondern akzentuierte auch farblich die Zugangsbereich zu unterschiedlichen Funktionsräumen.Darüber hinaus wählte er Farbakzente für die Krankenzimmer, wobei er bei der Auswahl der Einrichtungsgegenstände mitwirken konnte. So konnte er dazu beitragen, eine freundliche Atmosphäre zu schaffen, in der man sich zurechtfinden kann.

 

Die Orientierungsmöglichkeit ist das entscheidende Element im Krankenhaus. Ein anderes ist die Gefälligkeit: Was bieten die Räume für die Auge der Patienten und ihrer Besucher?  Um diese Frage offensiv zu beantworten, hat das Elisabeth-Krankenhaus Mut gezeigt. 

 

Es hat sich gegen die Ausschmückung der Zimmer und Flure mit Wegwerfkunst (Plakate) entschieden. In Zusammenarbeit mit „Art Consulting“ wurden für die Räume gezielt Bilder zeitgenössischer Künstler angekauft. Dieses Konzept fand ein derart gutes Echo, dass jetzt häufig Anfragen zu einzelnen Werken und Künstlern kommen – mal vom Personal 
und mal von den Patienten.

 

Hessische-Niedersächsiche  Allgemeine 21. Juli 1999